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Zusammenfassung (ChatGPT)
Die Studie „Metakrise: Wie die Zivilgesellschaft zur gesellschaftlichen Resilienz beiträgt“ untersucht die Rolle der Zivilgesellschaft in der Bewältigung von Krisen. Der Begriff „Metakrise“ beschreibt eine Situation, in der mehrere Krisen – etwa politische, ökologische oder wirtschaftliche – gleichzeitig auftreten und sich gegenseitig verstärken. In diesem Kontext wird die Zivilgesellschaft als ein wesentlicher Akteur betrachtet, der gesellschaftliche Resilienz fördern kann.
Zentrale Erkenntnisse der Studie zeigen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen oft gut darin sind, auf akute Krisen zu reagieren, jedoch Schwierigkeiten haben, sich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten. Zu den Schlüsselressourcen, die die Resilienz dieser Organisationen stärken, gehören Werte und Sinn, soziale Bindungen, Führung und Struktur sowie materielle Ressourcen. Kleinere, ehrenamtlich geführte Organisationen erweisen sich hierbei oft als flexibler und resilienter im Vergleich zu größeren Organisationen.
Die Studie hebt auch hervor, dass es nicht nur auf finanzielle Unterstützung ankommt, sondern dass Resilienz durch strukturelle Maßnahmen und eine Kultur des Lernens und der Antizipation gestärkt werden kann. Langfristig braucht es eine bewusste Auseinandersetzung mit Krisenmustern und Offenheit für neue Ansätze, um der „Dauerkrise“ zu entkommen
betterplace-lab-2024_Die-Metakrise_Wie-die-Zivilgesellschaft-zur-gesellschaftlichen-Resilienz-be.pdf(4.92 MB)
betterplace-lab-2024_Leitfaden-zur-Metakrise.pdf(220.53 kB)
Das große Ziel: Die "Metakrise" mit Resilienz 3.0 angehen
Mit Bezug auf diese Forschungsarbeit
"Metakrisen - die Aufgabe der Zivilgesellschaft" positionieren wir unseren
nuPerspective- Spezialauftrag, nämlich aus der
theologischen Perspektive mit
Metakompetenz, diese Krise(n)
einzuordnen und neue (bessere)
theologische Begründungsmuster und
spirituelle Handlungsformen für die Förderung "
resilienter Gemeinschaften 3.0" in unseren Gesellschaften zu entwickeln.
Zuerst einmal das Exzerpt der Studie, um das Problembewusstsein zu schärfen für die Rahmenbedingungen, von denen wir ausgehen:
Die Methodik dieser Studie setzt sich aus drei Teilen zusammen.
1. Analyse des Status Quo
Wie lässt sich unsere gegenwärtige Situation beschreiben?
Anhand umfassender Recherchen wissenschaftlicher Publikationen aus verschiedenen Fachbereichen (Philosophie, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Geistes- und Geschichtswissenschaften) erstellen wir einen Überblick über die bestehenden Theorien und Erkenntnisse zur Entstehung von Krisen. Neben Fachbüchern greifen wir dazu auf aktuelle Podcasts, Videos, Zeitungs- und Blogartikel zurück, um insbesondere Vermittlungs- und Darstellungsansätze der Konzepte Poly-, Meta- und Permakrise nachzuvollziehen und im Rahmen dieser Studie für die Anwendung fruchtbar zu machen. Ziel ist, im ersten Schritt zu einem grundlegenden wie tiefergehenden Verständnis der gegenwärtigen Zusammenhänge entlang des Konzepts Metakrise zu gelangen.
Diese Studie baut auf den Erkenntnissen unserer bisherigen Resilienzforschung auf.
2. Fallstudien aus der Zivilgesellschaft
Welche Ansätze lassen sich gegenwärtig bereits identifizieren?
Das Konzept Metakrise ist erst wenige Jahre alt und erhält erst allmählich – wie in den Jahren zuvor das Konzept der Polykrise – Eingang in öffentliche Debatten wie Fachdiskurse. Daher beziehen sich nur die wenigsten zivilgesellschaftlichen Akteur*innen bisher explizit in ihrer Arbeit und ihrem Wirkungsanspruch auf die Metakrise. Umso wesentlicher erscheint es uns, diese Verbindung herzustellen und zu analysieren: Was tut die Zivilgesellschaft ganz konkret gegen die Metakrise (auch in Abgrenzung zu ihren Anstrengungen mit Bezug zu akuten wie latenten Krisen)?
Was zeichnet sie aus?
Für die Auswahl haben wir nach zivilgesellschaftlichen Akteur*innen recherchiert, die sich methodisch vielfältig gegen die Treiber der Metakrise – wie wir sie zuvor identifiziert und beschrieben haben – engagieren. Dabei haben wir Ansätze präferiert, die sich eher den radikaleren Reform Spaces zuordnen lassen (s. vorheriges Kapitel).
3. Ableitungen zur Orientierung und Inspiration
Was können wir als Zivilgesellschaft daraus lernen?
Am Ende wird es nicht um vereinzelte Maßnahmen gehen, sondern um ein geteiltes Verständnis von der Metakrise und ein aktualisiertes und orchestriertes Vorgehen dagegen. Anhand der Fallstudien treffen wir entsprechende Ableitungen, die der Breite der Zivilgesellschaft Orientierung verschaffen und Inspiration für ihre Ausrichtung geben sollen. Wie können ihre Maßnahmen und Angebote die Metakrise mitdenken und ggf. adressieren? Was sind wiederkehrende Bestandteile und Herangehensweisen, die uns helfen, uns durch und über die Krisen hinaus gesellschaftlich weiterzuentwickeln?
Definition Metakrise
Die Metakrise weist auf ein tieferes Muster,
Kapitel 1-4
Kapitel 5
- aus verschiedenen systeminhärenten Sachzwängen,
- fehlleitenden wirtschaftliche Anreizen und
- unseren menschlichen Veranlagungen, das uns fortwährend in Krisen stürzt.
Als gesellschaftliche Resilienz verstehen wir
entsprechend die Fähigkeit, nicht nur auf die offenkundigen (akuten wie latenten) Krisen zu reagieren, sondern die zugrunde liegenden Dynamiken (der Metakrise) wahrzunehmen und in die Entwicklung einzubeziehen.
Resilienz lässt sich qualitativ steigern.
- Resilienz 1.0: In der Krise Möglichkeiten zum Selbsterhalt finden (bounce back)
- Resilienz 2.0: In der Krise neue Antworten auf die Krise finden (bounce forward
- Resilienz 3.0: In der Krise Antworten auf die Metakrise finden (bounce beyond)
Zivilgesellschaft kann wesentlich zur gesellschaftlichen Resilienz beitragen.
In Form von Organisationen und Bewegungen erreicht sie viele Menschen, die (bewusst oder unbewusst) nach neuen Möglichkeiten des gesellschaftlichen Zusammenlebens suchen und sich dafür engagieren wollen. Organisationen, die heute schon dazu beitragen, die Metakrise zu überwinden, einen folgende Merkmale:
- Sie berücksichtigen die eigene Verworrenheit in den Krisen.
- Sie hinterfragen Paradigmen und Dominanzstrukturen.
- Sie ermöglichen durch Verbundenheit und Vertrauen neue Kollaborationen.
Gesellschaftliche Resilienz entsteht durch eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit unserer bisherigen wie angestrebten Entwicklung. Traumata vergangener Krisen spielen dabei ebenso eine Rolle wie Visionen und Narrative einer wünschenswerten Zukunft.
Diese Studie legt literaturbasiert eine handhabbare Definition der Metakrise und ihrer zentralen Treiber vor. Auf Grundlage von sechs Fallbeispielen zeigt sie exemplarisch, welchen konkreten Beitrag Zivilgesellschaft schon heute angesichts der Metakrise leistet – und worauf es in Zukunft ankommt.
Bisherige Ratgeber springen zu kurz:
Sie bleiben Individualistisch orientiert: Ändere dich selbst!
- „Besser fühlen: Eine Reise zur Gelassenheit”
- „Resilienz, die Strategie der Stehauf-Menschen”
- „Das Stress-weg-Buch. Das Geheimnis der Resilienz”
Entsprechende Ratgeber füllen die Bahnhofskioske und Bestsellerlisten. Die Botschaft: Kümmer dich gefälligst selbst darum, dass du nicht so gestresst bist! Achtsamkeit, Yoga, positive Selbstverstärkung – gegen die Krisen. Wir können ergänzen: Ähnlich individualistisch argumentieren spirituelle Bewegungen und
christliche Lösungs-Angebote auch.
Ein Wettrüsten zwischen individueller Resilienz und gesellschaftlichen Krisen, mit Sicherheit zulasten derjenigen, die nicht das Privileg reichlicher materieller, sozialer, emotionaler und psychischer Ressourcen genießen.
Uns allen wäre vermutlich mehr geholfen, wenn wir die gesellschaftlichen Krisen systematisch angehen würden. Da stellt sich zuerst die Frage: Woher kommen eigentlich all diese endlosen Krisen in diesen Tagen?
„Es gibt eine Vielzahl von Krisen, die immer mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wie z. B. die Umwelt-, Wirtschafts-, Einwanderungs-, geopolitische und Energiekrise. Aber es gibt auch eine unsichtbare Krise, die sich in unseren eigenen Köpfen und Kulturen abspielt und die viel weniger Aufmerksamkeit erhält. Dabei handelt es sich um die Metakrise, die damit zu tun hat, wie der Mensch sich selbst und die Welt versteht. Es handelt sich um eine allgemeine Bildungskrise, die eine Reihe miteinander verbundener psychologischer Dynamiken beinhaltet; Systeme und Gesellschaften sind in Schwierigkeiten, aber es ist die Psyche - die menschliche Dimension - die sich in der größten Notlage befindet.“
Unterscheide drei Konzepte: (1) Polykrise, (2) Metakrise und (3) Permakrise:
(1) Polykrise – die verflochtene Krise
Die Polykrise beschreibt das gleichzeitige Auftreten und die Interaktion mehrerer miteinander verbundener Krisen in verschiedenen Bereichen, wodurch ein komplexes und verflochtenes Netz aus Herausforderungen entsteht. Diese Verflechtung unterschiedlicher Krisen ist aktuell „von erheblicher Tragweite, verheerend in ihren Auswirkungen, aber kaum verstanden“ (Lawrence et al. 2024).
Der Begriff „Polykrise“ wurde ursprünglich in dem 1999 erschienenen Buch „Homeland Earth: A Manifesto for a New Millennium“ von Edgar Morin und Anne Brigitte Kern geprägt und in den vergangenen Jahren immer populärer (Wort des Jahres 2022 in der Financial Times, Derbyshire 2023); den Höhepunkt erreichte die „Polykrise“ beim World Economic Forum 2023 in Davos, als er zum Kernbegriff des Diskurses aufstieg (Sorkin et al. 2023).
„Polykrise“ betont, dass Krisen nicht nur gleichzeitig auftreten, sondern dass sie sich gegenseitig auf komplexe und oft unerwartete Weise verschärfen; das Ganze ist noch gefährlicher als die Summe der Teile (Lowrey 2022). Nach Lawrence et al. (2024) sind Krisen durch drei Kausalpfade miteinander verbunden: (also als Teile einer Polykrise) betrachten, haben wir eine bessere Chance, emergente Eigenschaften zu berücksichtigen – und sie möglicherweise so anzugehen, dass sie nicht später zu Spillover-Problemen führen, die wir nicht berücksichtigt haben, sowie die notwendige Vorausschau zu betreiben, um mögliche Zukünfte zu entwerfen, die wir als gesellschaftlich erstrebenswert erachten.
(2) Metakrise – die inhärente Krise
Die Metakrise weist auf ein tieferes Muster hin, das alle Risiken und Krisen zu einem einzigen kohärenten Feld verbindet: ein Ökosystem der Krisendynamik mit seinen eigenen emergenten Eigenschaften.
Meta“ bedeutet viele Dinge. Am einfachsten bedeutet es danach. Aber manchmal wird es auch für dazwischen verwendet, manchmal für dazwischen. Es scheint seine Bedeutung leicht zu ändern, je nachdem, was es beschreibt. Das erste, was man über Meta wissen muss, ist, dass es viele Dinge bedeutet.“ (Rowson 2021)
Während sich der Begriff der Polykrise in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt und langsam zu einem allgemeinen Sprachgebrauch verfestigt hat, bedeutet die relativ junge Entwicklung der Metakrise, dass sich ihre Bedeutung in den kommenden Jahren wahrscheinlich ändern wird, je nachdem, wie sie (und von wem) angewendet wird. In jedem Fall wirbt das Präfix „Meta“ für eine möglichst ganzheitliche Betrachtung der grundlegenden Krise:
In der Metakrise ist die Krise nicht nur „da draußen“ in der Welt, sondern „hier drinnen“ in unserem Herzen und unserem Verstand. Es geht um grundlegende soziale Dynamiken genauso wie um unsere affektive Erfahrung von Krisen. Wie fühlen sich diese zusammenhängenden Krisen für uns an, was macht das ständige Krisenerleben mit unserer Psyche (individuell und kollektiv) und wie beeinflusst die Metakrise unsere Fähigkeit, ein sinnvolles Leben zu führen (Damiani 2023)?
Die Metakrise verweist auch auf die menschliche Erfahrung und zunehmende Verwirrung, wie wir alle das Feld der konvergierenden Risiken und Krisen wahrnehmen, verstehen und damit umgehen. Genauer gesagt, wie wir anscheinend immer weniger die Welt „verstehen“ als grundsätzliches Problem der Metakrise („[I]t suggests there is indeed an underlying cause of the world’s problems, and it is something like a multifaceted delusion: a deep and pervasive misreading of reality“, Rowson 2023).5
Die Metakrise ist ein übergeordnetes Ganzes mit einer einzigartigen Dynamik und unvorhersehbaren Folgen. Die Metakrise ist sowohl sichtbar als auch unsichtbar, sie spielt sich über und unter der Oberfläche des Sichtbaren und Offensichtlichen ab (Stein 2022). Ihre grundlegenden Treiber (generative dynamics) zu verstehen, könnte einen Weg aus den Dauerkrisen weisen (s. ausführlich in Kap. 4).
Unterschiede zeigen die drei Konzepte in ihrer Schwerpunktsetzung und Blickrichtung:
- Polykrise konzentriert sich darauf, die Zusammenhänge zwischen den Krisen (systemtheoretisch) analysier- und beschreibbar zu machen.
- Permakrise konstatiert einen allgemeinen, dauerhaften und unüberwindbaren Krisenzustand, der damit den Beginn eines bevorstehenden Epochenendes markiert
- Metakrise versucht eine ganzheitliche Betrachtung, bezieht psychische, relationale und spirituelle Fragen mit ein und versucht die grundsätzlichen Dynamiken hinter den fortwährenden Krisen offenzulegen.
Aus unserer Sicht bietet das Konzept der Metakrise den vielversprechendsten Ausgangspunkt, wenn es darum geht, die grundsätzlichen Ursachen der Krisenhaftigkeit unserer Zeit zu verstehen. Wir Menschen werden als klarer Bestandteil der andauernden Krisen benannt, was auch insofern schlüssig erscheint, als dass Krisen letztlich nichts anderes sind als diskursive und gesellschaftlich konstruierte Phänomene. Das, was als krisenhaft gilt, ist „nicht ein für alle Mal definierbar, sondern abhängig von den jeweiligen Relevanzkriterien, und diese unterliegen historischem Wandel und sind kulturell unterschiedlich“ (Nünning 2013).
S. 22:
Aus der krisenhaften Selbstverworrenheit heraus gilt es nun die Dichotomie Mensch und (Um-)Welt zu überwinden bzw. unsere Beziehung zur Welt zu aktualisieren. Wir scheinen im 21. Jahrhundert unfähig, uns in der Welt zu verorten (Earthyisten gesucht!) und uns auf sie zu beziehen. Die Metakrise kann als Theorem unser Blickfeld über die Einzelkrisen hinaus erweitern („it's a way to get some perspective on the tangled mess of the overlapping systems of the present“, The Alternative 2022).
Kognitive, emotionale und spirituelle Dissonanzen suchen eine Lösung
Gleichzeitig erleben viele Menschen, dass etwas fundamental nicht stimmt. Ein allgemeines Gefühl der Unwissenheit, Unsicherheit und der scheinbaren Unmöglichkeit, die Kontrolle zurückzuerlangen. Dennoch sind wir nicht in der Lage, bisherige Annahmen loszulassen, sondern ganz im Gegenteil – lassen uns weder durch unser Erleben noch wissenschaftliche Fakten von „alten Gewissheiten“ abbringen (Horx et al. 2024):
- Tech Delusion beschreibt den Denkfehler, dass Technologie alleinige Lösungen für komplexe soziale, wirtschaftliche oder politische Probleme bieten kann, ohne die potenziellen negativen Auswirkungen oder Begrenzungen angemessen zu berücksichtigen.
- Climate Delusion ignoriert die potenziell katastrophalen Folgen des Klimawandels für Ökosysteme, menschliche Gemeinschaften und die globale Stabilität. Stattdessen herrscht der Irrglaube, dass drastische Maßnahmen zum Klimaschutz unnötig oder zu kostspielig seien.
- Democracy Delusion weist auf die Fehlannahme hin, dass Demokratien automatisch Wohlstand, Gerechtigkeit und Stabilität garantieren und letztlich als „bestes aller Repräsentationssysteme“ unstürzbar seien.
Diese grundsätzlichen Illusionen zeugen davon, dass wir gesellschaftlich in einer Kognitionskrise stecken (Horx et al. 2024). Die Kognitionskrise wird als ein Zustand beschrieben, in dem bestehende kognitive Strukturen, Denkmuster oder Modelle nicht mehr ausreichen, um eine angemessene Bewältigung einer bestimmten Situation oder eines bestimmten Problems zu ermöglichen. Sie kann auftreten, wenn die Realität nicht mit den Erwartungen oder Annahmen einer Person übereinstimmt, wenn eine Situation zu komplex oder unsicher ist oder wenn grundlegende Annahmen in Frage gestellt werden.
Berkana-Modell:
Orientiert am Berkana-Modell leben wir aktuell in einer Zeit, in der wesentliche dominante Systeme nicht länger funktionieren (z. B. Sozial-, Energie- oder Wirtschaftssysteme) – und damit einige unserer grundsätzlichen Überzeugungen, Glaubenssätze und Leitmotive des 20. Jahrhunderts.
Four spaces of enunciation (Vanessa Machado de Oliviera), die 4 Reform-Denkräume:
Das Modell analysiert ursprünglich verschiedene Ansätze zur Dekolonialisierung und verwendet soziale Kartografie, um Spannungen und Paradoxe aufzuzeigen. Es unterscheidet vier Positionen: die Befürwortung der Moderne („alles ist gut“), moderate Reformen, radikale Reformen und eine Ablehnung des Systems („jenseits von Reformen“). Dabei wird der Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Moderne betont, und die Schwierigkeiten beim Widerstand gegen die Gewalt der Moderne werden thematisiert. Abschließend wird die Notwendigkeit eines selbstkritischen, nicht heroischen-Ansatzes für die Dekolonisierung betont.
Die „Four Spaces of Enunciation“ (4 Räume der Verständigung) beziehen sich auf vier unterschiedliche Reaktionen auf die Gewalt der Moderne:
- „Alles ist gut“: Dieses Sichtweise befürwortet die Moderne und ignoriert ihre Schattenseiten.
- Weiche Reformen: Fokus auf Integration ohne grundlegende Veränderungen.
- Radikale Reformen: Anerkennung von Machtungleichgewichten und Forderung nach systemischen Veränderungen.
- Jenseits von Reformen: Betrachtet das moderne System als irreparabel und plädiert für Alternativen wie Systemverlassen, Hacken oder das Sterben begleiten. Weitere Möglichkeiten sind die "anderen Existenzweisen":
Die geannten "anderen Existenzweisen" basieren auf
Kosmologien, die sich von der westlichen Moderne unterscheiden und alternative Sichtweisen auf das Leben, Wissen und Sein bieten, z.B. die indigener Kulturen (wir lernen gerade die
Geschichte der Menschheit neu aus dieser Sicht kennen). Diese Kosmologien lehnen die Dominanz der modernen westlichen Ontologie ab, die oft auf Individualismus, Fortschritt und Kontrolle basiert. Stattdessen betonen sie von einander gegenseitig abhängigen Beziehungen zur Natur, kollektive Verantwortlichkeiten und zyklische Zeitvorstellungen.
Alternativen Lebensweisen werden als Teil des "Beyond-Reform"-Raums gesehen und erfordern eine radikal andere ontologische Basis, die über die westliche Moderne hinausgeht.
andreotti-stein-ahenakew-hunt-decolonization.pdf(503.51 kB)
„Während diese drei Ansätze in der Theorie oft als unterschiedlich und potenziell unvereinbar dargestellt werden, neigen Menschen in der Praxis dazu, strategisch und uneinheitlich verschiedene Ansätze zu verwenden, oft gleichzeitig, je nachdem, was in einer bestimmten Situation möglich und wünschenswert ist. Es ist ein fortlaufender, herausfordernder, chaotischer und oft widersprüchlicher Prozess.“ (De Oliveira Andreotti et al. 2015, übersetzt).
Wie lässt sich diese Dissonanz auflösen? (S. 29)
a. Vermeidung: Manche Menschen reagieren auf kognitive Dissonanz, indem sie Situationen oder Informationen vermeiden, die zu inkongruenten Gedanken führen könnten. Dies kann darin resultieren, dass Menschen Situationen meiden, die ihre Überzeugungen herausfordern könnten.
b. Bestätigung: Eine andere Möglichkeit besteht darin, nach Informationen oder Quellen zu suchen, die die bestehenden Überzeugungen bestätigen und die Diskrepanz verringern. Dies kann dazu führen, dass Menschen
selektiv Informationen wahrnehmen oder interpretieren, um ihre bestehenden Überzeugungen zu stärken.9
c. Veränderung: Menschen können versuchen, ihre Überzeugungen oder Wahrnehmungen anzupassen, um die Inkonsistenz zu reduzieren. Dies kann durch die Suche nach neuen Informationen, das Neubewerten von Beweisen oder das Rationalisieren von Entscheidungen geschehen.
„Die Metakrise ist die Krise innerhalb und zwischen allen großen Krisen der Welt, eine Ursache, die zugleich singulär und plural ist, eine facettenreiche Täuschung, die aus der geistigen und materiellen Erschöpfung der Moderne entsteht, die die miteinander verbundenen Herausforderungen der Welt durchdringt und sich institutionell und kulturell zum Schaden des Lebens auf der Erde manifestiert.“
Rowson 2024
S.49: Futures Literacy das Zukünftedenken in Schulen und Universitäten, aber auch Unternehmen, politische Institutionen und lokale Gemeinschaften zu bringen. Das Konzept wurde im Jahr 2018 von der UNESCO geprägt und maßgeblich vom Zukunftsforscher Riel Miller entwickelt.
Der beschreibt es so:
„Eine zukunftskompetente [futures literate] Person hat die notwendigen Skills erworben, um zu entscheiden, warum und wie sie ihre Vorstellungskraft einsetzen kann, um die nichtexistente Zukunft in die Gegenwart zu bringen.“ (Miller 2018, 15; übersetzt)
Zu den Skills gehören:
- dominante Zukunftserzählungen und die zugrunde liegenden Annahmen kritisch hinterfragen,
- verschiedene Zukünfte systematisch erdenken (Was ist wahrscheinlich? Was ist wünschenswert?),
- kollektive Intelligenz nutzen und gemeinsames Wissen schaffen.
Im Ergebnis sind zukunftskompetente Menschen solche, die im Umgang mit Unsicherheit
geübt sind und eine Vielfalt möglicher Zukunftsentwicklungen wahrnehmen und verfolgen können. Es geht bei Futures Literacy also um eine Befähigung, um mit Zukünften umzugehen. Oder wie es die UNESCO formuliert: „Futures Literacy hilft uns, Politik und Systeme so zu gestalten, dass sie Schocks widerstehen und langfristige Resilienz schaffen.“ (UNESCO o.D.; übersetzt).
„Lasst uns das Träumen, das Imaginieren von Utopien wieder gesellschaftsfähig machen und politisch; ernsthaft,selbstbewusst und angstfrei über unsere Best Case-Zukunft sprechen.Sonst kann es sie nicht geben.“ (Picht/Mohr 2018, 31)
S. 50:
grundlegenden Herangehensweise: Kollaboration und vielfältige Perspektiven, die Betroffenheiten reflektieren, Zukunftsoffenheit und Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit den Folgen sozial-ökologischer Transformationen.
Vor allem in der Bildungsarbeit spielen praktische Vorbilder und Erfahrungen eine Rolle. Bereits existierende alternative Wirtschafts- und Lebensformen zeigen, was heute schon möglich ist. Das kann Lust auf Veränderung machen, die sie wiederum in einer Reihe von Veranstaltungen, Publikationen, Filmen und Bildungsmethoden transportieren, alles weitgehend kollaborativ.
S. 51:
„Bleibe zuversichtlich, verbünde Dich, schöpfe Kraft in der Gemeinschaft derer, die für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Welt kämpfen.“ (KNÖ 2024).
So schließt das Editorial des letzten KNÖ-Jahresberichts. Und
darin steckt viel, was für den Umgang mit der Metakrise notwendig ist: Zuversicht, Kollaboration, Zusammenhalt, Regeneration und die Vorstellung von einer gerechteren Welt.
S. 54:
Die Trainingsprogramme umfassen nicht nur strategische und organisatorische Fragen, sondern vor allem auch kulturelle, zwischenmenschliche, emotionale und körperbasierte Erfahrungen wie gemeinsames Singen, Kampfkunst und die Reflexion persönlicher Themen, Bedürfnisse und Verletzungen. Dadurch bilden sich tiefe, vertrauensvolle Verbindungen, die wiederum die praktische Arbeit der Teilnehmenden in ihren Organisationen und Bewegungen stärken. Auch die Themen Mut, Selbstwirksamkeit und Resilienz erhalten in den Programmen einen besonderen Stellenwert und werden als überlebenswichtig für eine soziale Gruppe betrachtet, die tagtäglich von struktureller Diskriminierung betroffen ist. Verschiedene Übungen helfen dabei, das Gelernte auch langfristig in den persönlichen und beruflichen Alltag zu integrieren.
S. 55: Beispiel:
The Wellbeing Project ist ein internationales Netzwerk zivilgesellschaftlicher Akteur*innen, welches das Wohlergehen von Gesellschaft und Gesellschaftsgestalter*innen zusammendenkt. Es wurde 2017 in Paris gegründet und engagiert sich durch Forschung, Weiterbildung und Netzwerkarbeit dafür, Menschen, die sich in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft für Wandel einsetzen, für inneres Wohlbefinden und Traumata zu sensibilisieren und so vor Burnout und Depressionen zu bewahren.
S. 59: Beispiel Technologie
Open Knowledge Foundation fördert den offenen Zugang zu Wissen und Daten. Der Verein arbeitet an Projekten zur Transparenz von Regierung und Verwaltung sowie zur Stärkung von Bürgerbeteiligung durch digitale Werkzeuge.
S. 61: Zusammenhalt
Die Frage nach dem Zusammenhalt ist keine triviale, nicht die Identitäten und Unterschiede negierend, sondern einladend (Müller 2021). Denn ansonsten schwächt die Fragmentierung das soziale Kapital, also die Netzwerke, Normen und das Vertrauen, die das Funktionieren einer Gesellschaft unterstützen. Ohne ein starkes soziales Kapital wird die Fähigkeit der Bürger*innen, kollektiv zu handeln und gemeinschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, erheblich beeinträchtigt.
Mehr Demokratie setzt bei den Bürger*innen an, versucht sie (wieder) für politische Prozesse zu begeistern und einen Austausch zwischen unterschiedlichen politischen Positionen zu ermöglichen.
S. 62:
Im politischen Austausch geht es nicht ausschließlich um Inhalte, Sachverhalte, Argumente und rationales Abwägen, sondern genauso um Gefühle, Sorgen, Ängste und Traumata (d. h. unverarbeitete seelische Verletzungen), die uns ausmachen und einem offenen, konstruktiven Austausch mö
Als offene Dialogformate tragen solche Bürgerräte dazu bei, Bürger*innen aus ihren Filterblasen herauszulösen, sich mit anderen Positionen konstruktiv auseinanderzusetzen und Vorurteile abzubauen.
Das entspricht dem Ziel des Vereins: eine integrative und solidarische Gesellschaft, (Metamoderne!) in der politische Auseinandersetzungen auf Basis von Respekt und gegenseitigem Verständnis geführt werden.
S. 66: Transition
S. 67: Vgl. auch
German Zero ist eine deutschlandweite Initiative, die die Politik darin unterstützen möchte, Maßnahmen für eine klimaneutrale Entwicklung zu verabschieden. Dazu entwickeln die Aktiven wissenschaftsbasierte, sektorübergreifende Klimaschutzgesetze und gehen dazu mit Politiker*innen ins Gespräch. In vielen LocalZero-Teams engagieren sich Menschen in ihren Kommunen für eine konsequente Klimapolitik u. a. durch Klima-Entscheide und vermitteln zwischen Politik, Verwaltung und Bürger*innen.
S. 69: Climate Grief
Zur Beschreibung der mentalen Reaktion auf einschneidende Naturereignisse hat sich wissenschaftlich der Begriff Climate Grief verfestigt. Cunsolo und Ellis (2018) definieren Climate Grief (auch Eco Grief oder Ecological Grief genannt) als „die Trauer über erlebte oder erwartete ökologische Verluste, einschließlich des Verlusts von Arten, Ökosystemen und bedeutsamen Landschaften aufgrund akuter oder chronischer Umweltveränderungen“ (ebd., 275, übersetzt). Es entsteht eine Trauer, die wir sonst nahezu exklusiv mit persönlichen Verlusterfahrungen wie dem Tod einer geliebten Person in Verbindung bringen (Comtesse et al. 2021).
S. 70: Zur Trauer gehört die Akzeptanz des erlebten Verlustes. Akzeptanz wird auch als letzte Phase der Trauer (Kübler-Ross-Modell) bezeichnet. Im Bezug auf Climate Grief wird allerdings auf die Verwendung dieses Modells verzichtet. Beim Climate Grief wird zwar der bisherige Verlust der Natur akzeptiert, jedoch nicht die eigene Unfähigkeit, etwas gegen zukünftige Zerstörung zu unternehmen (Bryant 2019). Vielmehr steht die Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels und seiner Auswirkungen als unabänderlicher Fakt im Vordergrund. Betroffene erleben eine zerstörte Natur als traurige Realität und nicht als ferne Zukunft. I
Wir haben nicht nur Angst vor dem, was kommen könnte, sondern wir verstehen, dass viele Folgen des Klimawandels längst unausweichlich geworden sind. Statt daher weiter ängstlich und gelähmt abzuwarten, akzeptieren wir einen Zustand der Hoffnungslosigkeit über das bereits Verlorene – und werden aktiv. Der (bewusst) erlebte Verlust soll uns motivieren, alles dafür zu tun, diesen nicht für immer weiter spüren zu müssen bzw. ihn immer mehr Menschen spüren zu lassen. Forscher*innen stellen fest, dass Menschen nach der Akzeptanz der Klimarealität eher bereit dazu sind, klimafreundlich und -fördernd zu handeln, da ihnen schmerzlich klar geworden ist, was wirklich zählt und wie es in ihrer Hand liegt, das, was noch von der Natur übrig ist, nicht dem gleichen Schicksal auszusetzen (Ellis/ Cunsolo 2018, Comtesse et al. 2021).
Die Bewegung arbeitet gemäß des „Gesetzes der 3,5 Prozent“ nach der Politikwissenschaftlerin Erica Chenoweth: Können sie 3,5 Prozent der Bevölkerung von ihren Zielen überzeugen, reicht das, um gemeinsam eine politische Veränderung zu schaffen (s. soziale Tipping Points, Kap. 5).
S. 71: Selbsthilfegruppen:
Um die evozierte Trauer zu verarbeiten, bietet XR therapeutische Maßnahmen wie den „Climate Grief Circle“ an, im Rahmen dessen die tiefsitzende Trauer besprechbar gemacht und durch gegenseitige Unterstützung in der Gruppe aufgefangen werden soll (XR Boston o.D.).
Und nun? Was leistet die Zivilgesellschaft? Was müsste Kirche bringen?
„Achieving transformational resilience is a choice people make, not something that emerges magically on its own.“
– Bob Doppelt (Gründer International Transformational Resilience Coalition)
Die Metakrise erzwingt eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Zukunft und der Frage, wie wir uns aufeinander und die Welt beziehen können und wollen.
Das braucht Antworten jenseits uns bekannter Muster und einem vorgefertigten Plan B. Offenbar fehlen der Zivilgesellschaft die nötigen Kapazitäten, um sich mit neuen Zukunftsbildern und ihrem Beitrag dazu auseinanderzusetzen. Kapazitäten umfassen in diesem Fall die Zeit (s. Mangel an materiellen Ressourcen; ebd.) und die Fähigkeit und das Bewusstsein, um die nötige gesellschaftliche Transformation stärker voranzutreiben. Gesellschaftliche Resilienz beruht vor allem auf der Fähigkeit, langfristige und tiefgreifende Erneuerungen bewirken zu können (im Gegensatz zu rein wirtschaftlich motivierten „Disruptionen“).
Regeneration und Vision:
Die für diese Studie analysierten Fallbeispiele weisen darauf hin, dass eine Regeneration von vergangenen Krisen und Traumata wesentlich ist. Denn Traumata führen in der Regel zu einem Erstarren (bis hin zu Dissoziation), zu Argwohn und dem Gefühl von Handlungsunfähigkeit und blockieren damit unsere Möglichkeiten, neue, mutige und offene Antworten zu finden (Wittchen/Hoyer 2006). Sowohl Black Organizing for Leadership and Dignity als auch Mehr Demokratie setzen sich in ihrer Arbeit dafür ein, Räume und Formate bereitzustellen, in denen diese Aufarbeitung mit den eigenen wie kollektiven Traumata stattfinden kann
Aus der Betrachtung der Metakrise lässt sich jedoch ableiten: Es braucht sowohl eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit vergangenen Krisen, Verletzungen und Traumata, die uns blockieren, als auch mit Zukunftsvisionen, die uns motivieren und anziehen. Gesellschaftliche Resilienz entsteht nicht durch das „Abarbeiten“ im Dauerkrisenmodus, sondern durch ganzheitliche Betrachtung unserer bisherigen wie angestrebten Entwicklung.
1. Unsere eigene Verworrenheit in den Krisen berücksichtigen
• Unsere menschlichen Bedürfnisse nach Zusammengehörigkeit, Teilhabe, Beziehungen, Fairness und Entwicklung sind die Triebfedern unseres Handelns. Krisen als externe Phänomene zu behandeln (oftmals in der systemtheoretischen Beschreibung der Polykrisen) greift unweigerlich zu kurz. Auch zivilgesellschaftliche Akteur*innen sollten sich vergegenwärtigen, wodurch wir selbst zu Krisen und Krisenwahrnehmung beitragen.
• Emotionen und Verletzungen brauchen Raum und sollten nicht als Schwäche und Unvernunft abgetan werden. Um Verbundenheit herzustellen, sowohl mit uns selbst als auch mit anderen (gerade scheinbar unvereinbaren) Positionen, müssen diese Anteile im gesellschaftlichen Miteinander sichtbar werden. Methoden und Anleitungen sind wichtig, um Emotionalität zu kanalisieren und Traumata bearbeiten zu können; diese zu entwickeln und/oder anzuwenden, kann eine Rolle der Zivilgesellschaft sein.
• (Selbst-)Reflexion ist eine zentrale Aufgabe und Fähigkeit, um uns und den Status quo besser und tiefergehend wahrzunehmen, zu verstehen und daraus Verhaltensänderungen abzuleiten.
2. Unsere Paradigmen und Dominanzstrukturen hinterfragen
• Unser Leben ist geprägt durch dominante Strukturen, die unseren Handlungsrahmen vorzugeben scheinen. Gerade aber die gegenwärtigen Glaubenssätze als menschengemacht und veränderbar zu erleben und fortwährend dahingehend zu hinterfragen, inwieweit sie uns (allen) ein „besseres Leben“ ermöglichen, ist für eine nachhaltige Transformation entscheidend. Organisationen wie beispielsweise das Konzeptwerk Neue Ökonomie oder das Center for Humane Technology stellen unser gegenwärtiges Verständnis von Wirtschaft oder Technologie in Frage.
• Dazu brauchen wir Zukunftsdenken. Wenn die Gegenwart alternativlos (Unwort des Jahres 2010) scheint, gilt es, ihr bewusst und konsequent Visionen, Experimente und (Real-)Utopien entgegenzustellen. Veränderungsprozesse verlaufen selten linear, sondern häufig in komplexen und unvorhersehbaren Mustern, wobei aus einzelnen Ideen neue Zukunftsperspektiven entstehen. Die Zivilgesellschaft kann die nötigen Freiräume schaffen, experimentieren und Anschlussfähigkeit herstellen.
3. Verbundenheit und Vertrauen ermöglichen Kollaboration und Veränderung
• Vertrauen ist die Basis für ein lebenswertes Miteinander. Doch Vertrauen muss auch immer wieder neu aufgebaut werden, besonders in Zeiten, in denen gesellschaftliche Systeme wie die Demokratie in Frage gestellt werden. Ein offener und respektvoller Dialog ist hierbei entscheidend. Zuhören bedeutet, die Anliegen und Bedürfnisse anderer wirklich wahrzunehmen und darauf einzugehen. Ein Dialog, der auf Empathie und Verständnis basiert, schafft die Voraussetzungen dafür, dass auch in polarisierten Debatten ein konstruktiver Austausch möglich bleibt und Vertrauen in zentrale gesellschaftliche Institutionen wiederhergestellt wird. Zivilgesellschaftliche Akteur*innen können sich bemühen, Menschen außerhalb ihrer Zielgruppen und Filterblasen mit einzubeziehen und einen Dialog über die engen Grenzen hinweg zu ermöglichen.
• In einer zunehmend vernetzten Welt sind isolierte Ansätze selten erfolgreich. Allianzen und Bündnisse über individuelle und sektorale Interessen hinaus können Akteur*innen verbinden und potenziell Synergien entstehen lassen, die weit über das hinausgehen, was Einzelne erreichen könnten. Kollaboration gelingt jedoch nicht einfach so, sondern braucht dringend Kompetenzförderung und moderierte Räume (s. Studie zum Einbezug der digitalen Zivilgesellschaft in der Resilienzpolitik, Peters 2023).
Wie viel Radikalität trauen wir uns zu? Wie viel von dem Alten können wir loslassen (oder kompostieren, s. Berkana Two Loops Model in Kap. 4), wie viel können wir integrieren?
Fallbeispiele im Beyond Reform Space: Was kommt nach dem Status quo? Insbesondere das KNÖ schafft den Freiraum, um sich mit möglichen und alternativen Zukünften jenseits des Bekannten (für eine inklusive, soziale und ökologische Ökonomie) auseinanderzusetzen. XR auf der anderen Seite ruft zur kollektiven Trauer (Climate Grief) auf, um die aktuelle Entwicklung überhaupt spürbar werden zu lassen. Zusätzlich veranstalten sie Aktionen, die bewusst gegen die Rechtsordnung verstoßen, um öffentliche Diskussionen zu entfachen („Hacking“).
Pragmatisches Fazit ( S. 78 / 79)
Was ist die Metakrise und existiert sie wirklich?
Ob und wie die Krisen dieser Zeit zusammenhängen, ist schwer zu beurteilen und unmöglich nachzuweisen. Dieser Grad an Komplexität wäre eine Aufgabe für künftige Künstliche Intelligenzen. Die Auseinandersetzung mit dem Theorem der Metakrise erscheint uns aber dennoch fruchtbar, da sie den Blick „hinter“ die akuten Krisen und damit auf grundsätzliche Dynamiken lenkt. Wir erleben systeminhärente Sachzwänge, fehlleitende wirtschaftliche Anreize und menschliche Veranlagungen, die zu anhaltenden und scheinbar unvermeidlichen Fehlentwicklungen führen. Anhand der Metakrise wollen wir sie besser beschreiben.
Gesellschaftliche Resilienz ist die Fähigkeit, diese grundlegenden, Krisen hervorrufenden Entwicklungen zu erkennen und zu beantworten (ability to respond) – eine Art bounce beyond dessen, was uns bekannt und vertraut ist.
Damit verschieben wir den Fokus und Imperativ der Resilienz weg vom Individuellen – seien es einzelne Organisationen oder Personen, die bitte selbst lernen sollen, mit Krisen fertig zu werden 23 – hin zum solidarischen Miteinander und geteilten Zukunftsvisionen.
In dieser Studie konnten wir exemplarisch darlegen, dass sich die Zivilgesellschaft heute schon mannigfaltig gegen die Metakrise und ihre Treiber engagiert. In ihren Ansätzen vereint sie inneres Wachstum und Empowerment mit einer kritischen Auseinandersetzung mit dominanten Strukturen (etwa in Zusammenleben, Wirtschaft oder Technologie). Einige suchen nach radikal anderen Zukünften (z. B. Konzeptwerk Neue Ökonomie) und setzen dafür auf Bildungs- und Bündnisarbeit, bei anderen liegt die Radikalität in der Methodik, die einen offenen Umgang mit Traumata ermöglicht (z. B. Black Organizing for Leadership and Dignity) und zur gemeinsamen Trauer einlädt (z. B. Extinction Rebellion).
Das Transition Movement schafft Veränderung praktisch erfahrbar in lokalen Gemeinschaften, das Center for Humane Technology setzt sich für technologische Regulierung auf Basis bedürfnisorientierter Grundsätze ein. Gemein ist allen ein hoher Anspruch an Empathie, Partizipation und Kollaboration – um als gesellschaftliche Bewegungen die nötigen Veränderungen herbeizuführen.
Braucht es dafür immer Radikalität?
Mit Blick auf das Modell der Reform Spaces (nach De Oliveira Andreotti et al. 2015) und Kenntnis des sozialen Sektors fällt auf, dass sich nur wenige Organisationen finden lassen, die mit ihrer Arbeit radikale Veränderungen dieser Art anstreben. Das ist auch nicht verwunderlich. Zum einen ist Radikalität immer ein Stück weit exklusiv. Sie impliziert eine Haltung oder einen Ansatz, der bzw. die sich grundlegend von den vorherrschenden Normen, Werten oder politischen Überzeugungen unterscheidet. Sobald viele diese radikale Haltung teilen würden, würde sie in gewisser Weise zur neuen Norm werden und damit ihre Radikalität verlieren. Zum anderen hat die Zivilgesellschaft eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufgaben, beispielsweise eben auch die ganz konkrete Nothilfe in der Krise.
Und dennoch will diese Studie dafür sensibilisieren, dass die Zivilgesellschaft ein großes Potenzial hat, zur Überwindung der Metakrise beizutragen und, so abstrakt es klingt, viele Menschen für eine grundsätzliche Erneuerung unserer Beziehung zur Welt zu mobilisieren. Das haben die Fallbeispiele gezeigt. Es ist Teil ihrer Rolle und ihrer Verantwortung.
Kirche reagiert in der überwiegenden Mehrzahl der Ansätze im Soft Reform Space (also mit einfachen Anpassungen). Sie problematisiert eben nicht den Denkrahmen der Moderne. Einige wenige Modelle aus dem "radikal Reform Space" sind in der Emergenten Bewegung oder vielleicht bei bestimmten FreshX-Gruppen zu finden. Ganz wenige Initiativen wie "Wilde Kirche" oder "Sprite & Soul" gehen Richtung Beyond Reform Space... Hacking ist im Christentum wie wir es kennen eher verpönt. Unser Ansatz mit metamoderner Theologie wird ein erster Versuch sein durch deutliche theologische Hacks aus dem
konstantinischen Christentums-System auszusteigen. Metakrisen bewältigen wir nur mit einer
metakrisentauglichen Theologie (das ist
unser Fachgebiet und Aktivistenfeld) und als Zielperspektive geht es dann darum, die
Metamoderne anzustreben, vielleicht eine Rahmenbedingung möglicher Zukünfte.
Zum Begriff in youTube:
Der Meta-Krise begegnen: Kriterien für das Wenden der Titanic |
Terry Patten | Vorträge bei Google
So many civilization-threatening predicaments are fast-converging that a new term has emerged: “the Meta-Crisis” — the sum of our ecological, economic, social, cultural, and political emergencies. Experts in the field have estimated that human civilization has only a 50% chance of surviving the end of the century—a dire prediction!—but viable levers still exist to steer the proverbial Titanic around the icebergs. Drawing from evolutionary neuroscience, developmental psychology, social theory, complex systems dynamics, scenario planning, game theory, and spiritual wisdom, Terry will help you feel the implications of the science so you can more effectively “be the change you want to see in the world.”
Es gibt so viele zivilisationsbedrohende Probleme, die schnell zusammenlaufen, dass ein neuer Begriff entstanden ist: Die „Meta-Krise“ - die Summe unserer ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Notlagen. Experten auf diesem Gebiet schätzen, dass die menschliche Zivilisation nur eine 50-prozentige Chance hat, das Ende des Jahrhunderts zu überleben - eine düstere Vorhersage -, aber es gibt noch brauchbare Hebel, um die sprichwörtliche Titanic um die Eisberge herum zu steuern.
Auf der Grundlage der evolutionären Neurowissenschaft, der Entwicklungspsychologie, der Sozialtheorie, der Dynamik komplexer Systeme, der Szenarioplanung, der Spieltheorie und der spirituellen Weisheit wird Terry Ihnen helfen, die Implikationen der Wissenschaft zu spüren, damit Sie effektiver „die Veränderung sein können, die Sie in der Welt sehen wollen.“
Definition hier:
- YouTube
https://youtu.be/jHxTvvPZUuI?si=ruFrGJ5UPQjQTXAr&t=157
So many civilization-threatening predicaments are fast-converging that a new term has emerged: “the Meta-Crisis” — the sum of our ecological, economic, social, cultural, and political emergencies. Experts in the field have estimated that human civilization has only a 50% chance of surviving the end of the century—a dire prediction!—but viable levers still exist to steer the proverbial Titanic around the icebergs.
Drawing from evolutionary neuroscience, developmental psychology, social theory, complex systems dynamics, scenario planning, game theory, and spiritual wisdom, Terry will help you feel the implications of the science so you can more effectively “be the change you want to see in the world.”
Get the book: https://goo.gl/9iBWoZ
Weisheiten Traditionen:
- YouTube
https://youtu.be/jHxTvvPZUuI?si=GzOmasObSCHOEZrM&t=2000
So many civilization-threatening predicaments are fast-converging that a new term has emerged: “the Meta-Crisis” — the sum of our ecological, economic, social, cultural, and political emergencies. Experts in the field have estimated that human civilization has only a 50% chance of surviving the end of the century—a dire prediction!—but viable levers still exist to steer the proverbial Titanic around the icebergs.
Drawing from evolutionary neuroscience, developmental psychology, social theory, complex systems dynamics, scenario planning, game theory, and spiritual wisdom, Terry will help you feel the implications of the science so you can more effectively “be the change you want to see in the world.”
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Metakrise und Clare Graves
Clare Graves großer Sprung: KI und die Lösung der Meta-Krise. Talk mit Tom Amarque
LIVING IN THE METACRISIS with Jonathan Rowson
17.914 Aufrufe 20.10.2023 #perspectiva #metacrisis
Jonathan Rowson ist Mitbegründer und Direktor von Perspectiva und Autor des Joyous Struggle auf Substack (Links unten).
Zuvor war er Direktor des Social Brain Centre an der RSA, wo er eine Reihe von einflussreichen Forschungsberichten über Verhaltensänderung, Klimawandel und Spiritualität verfasst hat. Jonathan ist ein angewandter Philosoph mit Abschlüssen der Universitäten Oxford, Harvard und Bristol. In seinem früheren Leben war er Schachgroßmeister und britischer Meister und betrachtet das Spiel als eine ständige Quelle der Erkenntnis und Inspiration. Sein Buch „The Moves that Matter - A Grandmaster on the Game of Life“ wurde 2019 von Bloomsbury veröffentlicht.
Ende die Moderne?
Systemtalk SystemTalk #25 - Integrität im Spannungsfeld Multi-Krisen und opportunistischen Notwendigkeiten
22.02.2023
Gitta Peyn & Bardia Monshi im SystemTalk. Wie geht man am besten damit um, wenn man auf der einen Seite gern ökologisch integer handeln will, das aber auf der anderen aus ökonomischen oder gesellschaftlichen Zwängen heraus nicht kann? Was tun in Multi- und Metakrisen? Entspannt, kurzweilig, temporeich diskutieren Gitta und Bardia mit den Teilnehmern diese berührenden Themen. Eine Co-Produktion des Instituts für Vitalpsychologie, Wien, mit Formwelten-Institut